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Fachtagung Bayern Innovativ

Das Patent und die Strategie: Angriff, Verteidigung, Verwertung

„Mein Patent wird verletzt: Wie reagiere ich?“ – „Nichtigkeitsklage: Wie bekomme ich schnell ein valides Urteil?“ – „Unterlassung: Was kommt auf mich zu?“ Diese und viele andere Fragestellungen diskutierte eine Fachtagung der externer Link Bayern Innovativ GmbH in Zusammenarbeit mit Experten aus dem DPMA und weiteren Partnern. „Patentdurchsetzung und -verletzung – Strategische Aspekte“ fand Pandemie-bedingt um ein Jahr verschoben und rein digital statt.

Die Tagung vom 11. November 2021 wartete mit hoch kompetenten Referentinnen und Referenten aus Wirtschaft, Patentanwaltschaft, Hochschulen und Patentgerichtsbarkeit auf und richtete sich technologie- und branchenübergreifend an das Management von Unternehmen sowie alle, die beruflich mit Schutzrechten zu tun haben. Die Vorträge beleuchteten verschiedene Aspekte des strategischen Umgangs mit Schutzrechten, vor allem mit Patenten.

Hohe Qualität des Schutzrechts als Voraussetzung

DPMA-Präsidentin Cornelia Rudloff-Schäffer

DPMA-Präsidentin Cornelia Rudloff-Schäffer

Grundlage für eine erfolgreiche IP-Strategie sei ein valides, rechtsbeständiges Schutzrecht, auf das man sich verlassen könne, sagte DPMA-Präsidentin Cornelia Rudloff-Schäffer in ihrer Begrüßung. „Und hier kommen wir ins Spiel“: Das DPMA stehe für ein rechtsbeständiges Schutzrecht und dauerhaft höchste Prüfungsqualität. Sie skizzierte die verschiedenen Maßnahmen des DPMA zur Qualitätssicherung, etwa das Vier-Augen-Prinzip bei der Prüfung oder die neue Ex-Ante-Evaluierung, bei der stichprobenartig bereits vor Erteilung oder Zurückweisung die Rechercheergebnisse und die Erstbescheide nach einem festen Kriterienkatalog geprüft werden.

Das DPMA setze seit geraumer Zeit zunehmend auch auf KI-basierte Technologien: „Wir übersetzen derzeit mit Hilfe von KI mehr als 50.000 Schutzrechts-Dokumente pro Tag, zunächst aus dem Japanischen und Chinesischen, ab 2022 aus dem Koreanischen und weiteren Sprachen ins Englische“, so Rudloff-Schäffer. Außerdem nutzten die Prüferinnen und Prüfer des DPMA ein neues KI-gestütztes Recherche-Tool auf Basis neuronaler Netze zur „kognitiven Suche“, das mit seinen semantischen Suchfunktionen die herkömmliche exakte Suche unterstütze. Auch bei der Klassifizierung nach IPC helfe seit einigen Jahren ein „e-Klassifikator“, der eine effizientere Zuordnung der Anmeldungen ermögliche.

Das DPMA nutze also die neuesten Technologien, um angesichts des weltweit rapiden Wachstums des Standes der Technik eine gleichbleibend hohe Prüfqualität bieten zu können, so Rudloff-Schäffer: „Nur wer sich weiterentwickelt, fällt nicht zurück“.

KMU im Fokus

Die DPMA-Präsidentin betonte bei der Begrüßung der virtuellen Teilnehmerinnen und Teilnehmer die Bedeutung des Tagungs-Themas für die kleinen und mittleren Unternehmen (KMU), die nicht nur über 99% der Unternehmen in Deutschland ausmachen, sondern auch fast ein Drittel der Wirtschaftsleistung hierzulande generieren.

Das DPMA könne künftig noch mehr auf die Bedürfnisse dieser enorm wichtigen Klientel eingehen: „Dank des Gesetzes über weitere Aufgaben im DPMA, das am 1. Januar 2022 in Kraft tritt, werden wir die Informationsdienstleistungen zum Schutz geistigen Eigentums ausbauen.“ Vor wenigen Tagen erst veröffentlichte das DPMA ein Informationsangebot für freie Erfinderinnen und Erfinder sowie zur neuen online-unterstützten Recherche auf seinen Internetseiten.

Deutschland sei im aktuellen Global Innovation Index der WIPO zwar stark in der Entwicklung und Forschung und bei den Patentanmeldungen sogar weltweit führend, so Rudloff-Schäffer, doch in puncto digitaler Partizipation der Bevölkerung und bei öffentlichen Digitalangeboten falle man auf die hinteren Plätze zurück. „Da besteht Nachholbedarf.“

Das DPMA habe die Herausforderungen und die Notwendigkeit der Digitalisierung frühzeitig erkannt: Bereits seit 2011 bearbeite man Patent- und Gebrauchsmusteranmeldungen vollelektronisch. Dank der elektronischen Schutzrechtsakte war das Amt auch während der Lockdowns zu jeder Zeit voll arbeitsfähig, während die meisten seiner rund 2.800 Beschäftigten durchgehend im Homeoffice tätig waren – „ein in der deutschen Behördenlandschaft einzigartiger digitaler Workflow“, so Rudloff-Schäffer: „Noch heute bearbeitet kaum ein anderes Patentamt seine Schutzrechtsverfahren so durchgängig digital wie wir beim DPMA.“

Abwehrkräfte mobilisieren

Wie reagiere ich, wenn mein Patent verletzt wird? Soll ich auf eine Lizensierung hinarbeiten oder eine Verletzungsklage anstreben? Patentanwalt Dr. Klaus Dieter Langfinger stellte Überlegungen zu offensiven und defensiven Strategien vor. Wie stelle ich mein Schutzrechts- Portfolio im Hinblick auf seine Durchsetzung am besten zusammen, wie manage ich es? Langfinger diskutierte die Eskalationsstufen Berechtigungsabfrage – Abmahnung – einstweilige Verfügung und Klage. Wenn es vor Gericht geht, ist Deutschland übrigens ein beliebter Ort: 60 Prozent aller Verletzungsverfahren in der EU werden laut Langfinger hierzulande verhandelt, da die Verfahrenskosten deutlich geringer sind als beispielsweise in Großbritannien oder in den USA. Daher sind deutsche Urteile oft Grundlage für weltweite Vergleiche, so Langfinger.

Und wenn die Sachlage genau andersherum liegt? Was ich beachten muss, wenn ich selbst ein Patent verletze, diskutierte Dr. Sevim Süzeroglu-Melchiors. Die Professorin für Digital Entrepreneurship und Finanzierung an der OTH Regensburg (wo es übrigens jetzt ein Zusatzstudium „IP Management“ gibt!) widmete sich dem Thema vor allem aus der Perspektive von Start-Ups. Diese neigten immer noch dazu, die Bedeutung des geistigen Eigentums für ihren Geschäftserfolg zu unterschätzen. Dabei achteten gerade Investoren besonders auf das IP-Portfolio – „es erhöht die Attraktivität“.

Gründliche Patentrecherche werde in der Gründungsphase von Unternehmen leider meist vernachlässigt, obwohl die Relevanz durchaus bekannt sei, so Süzeroglu-Melchiors. Welche Möglichkeiten der Patentdurchsetzung gibt es für Start-ups und welche Risiken gehen von potenziellen Patentverletzungen aus? Süzeroglu-Melchiors diskutierte die verschiedenen Optionen, wobei sie zwei Devisen nahelegte: Prävention ist besser als Heilung – also lieber von vornherein gründlich recherchieren. Und: Angriff ist manchmal die beste Verteidigung – es kann im Konfrontationsfall durchaus sinnvoll sein, zum Gegenangriff auf einen Wettbewerber zu blasen.

Der Gang vor Gericht

Was passiert, wenn die Auseinandersetzung vor Gericht landet? Zwei Richter gewährten tiefe Einblicke in die Abläufe des Rechtsstreits. In ihrem Vortrag "Nichtigkeitsklage beim BPatG - Wie bekomme ich schnell ein valides Urteil?" gab Dr. Ina Schnurr einen Überblick über wichtige rechtliche und technische Aspekte. Die Richterin am Bundespatentgericht erläuterte den Ablauf eines Patentnichtigkeitsverfahrens (nach Maßgabe des Zweiten Patentrechtsmodernisierungsgesetzes) und gab praktische Tipps zur Unterstützung eines möglichst kurzen Wegs zum rechtskräftigen Urteil.

Dr. Georg Werner, Vorsitzender Richter am Landgericht München I, erklärte dagegen die Voraussetzungen für einen Unterlasssungs- und Schadensersatzanspruch. Unter dem Titel „Was kann da auf mich zukommen?“ erläuterte er die möglichen jeweiligen Rechtsfolgen von Unterlassungs- und Schadenersatzklagen.

Umgehungsunterfangen

„Ich will um ein Patent drum rumkommen“: So wurde – etwas pikant - der dritte Teil der Fachtagung betitelt. Patentanwalt Markus Schlögl von Meissner Bolte Partnerschaft mbB sprach zunächst über die außergerichtlichen Möglichkeiten bei Patentstreitigkeiten. Berechtigungsanfrage und Abmahnung sind probate außergerichtlichen Instrumente des Patentinhabers, aber Schlögl ging auch auf die Handlungsoptionen des (vermeintlichen) Patentverletzers ein. Als zentrale außergerichtliche Klärungsmöglichkeiten diskutierte Schlögl Lizenzvertrag und Mediation.

Geht es vor Gericht, hat der Verteidiger eines Schutzrechts in Deutschland traditionell gute Aussichten, so Tilman Pfrang von derselben Anwaltskanzlei: Die Rechtsprechung stehe hierzulande im Zweifel meist auf Seiten des Inhabers. Pfrang diskutierte in seinem Referat die Grenzen des Schutzbereichs eines Patents und gab Hilfestellungen, wie zu erkennen ist, ob ein Patent auch wirklich verletzt wird.

Am besten ist es natürlich, Verletzungen von vornherein zu vermeiden. Prof. Dr.-Ing. habil. Oliver Mayer, Leiter Energie und Cluster Energietechnik bei der Bayern Innovativ GmbH, diskutierte dann die „Technische Patentumgehung“. Er zeigte Wege und Hilfsmittel auf, wie man Patente (und somit ihre Verletzung) strukturiert und systematisch umgehen kann.

Unverzichtbares

Es gibt aber auch unumgängliche Patente, etwa sogenannte SEPs. Aber was ist das genau? Dr.-Ing. Rupert Herzog, Patentprüfer beim Deutschen Patent- und Markenamt, gab die Antwort am Beispiel der Entwicklung der Mobilfunkstandards: Die zunehmende Digitalisierung ist an mobile Kommunikationsnetze gekoppelt, die innerhalb der 3GPP standardisiert werden. Der Innovationsaufwand wird durch Patente abgesichert. Bei Patenten, die zur Implementierung unverzichtbar sind - eben den Standard Essential Patents (SEPs) - kann ein Spannungsfeld zwischen Inhabern und Nutzern entstehen. Herzog äußerte sich ausführlich zu Fragen der Lizensierung ("FRAND-Lizenzierung"), Rahmenbedingungen oder Transparenz.

Zum Abschluss sprach Daniel Papst, Geschäftsführer der gleichnamigen Licensing GmbH. „Patentverwertungsgesellschaften: Trolle oder Beistand in der Not?“ benannte er sein Referat, das Einblicke in die Vorgehensweisen von Patentverwertungsgesellschaften gab und Chancen und Risiken bei der externen Patentverwertung vorstellte.

Bilder: iStock.com/zonadearte, DPMA, iStock.com/peshkova, iStock.com/nastco, iStock.com/nirodesign

Stand: 26.01.2024