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Fünf Jahre Markenrechtsmodernisierungsgesetz (MaMoG)
v.l.n.R.: Detlef von Ahsen, Präsident des Bundesverbandes Deutscher Patentanwälte; Bernd Maile, Vizepräsident DPMA; Monika Schwarz, DPMA; Dr. Senta Bingener, DPMA; Dr. Regina Hock, Präsidentin des Bundespatentgerichts; Dr. Christian Meiser, Richter am Bundespatentgericht; Ortrun Günzel, Partnerin bei df-mp Dörries Frank-Molnia & Pohlman, Head of Trademarks, München; Katharina Mirbt, Leiterin der Hauptabteilung Marken und Designs, DPMA; Prof. Dr. Maximilian Kinkeldey, Rechtsanwalt, LL.M. (NYU), Grünecker Rechts- und Patentanwälte, München
Mehr Rechtssicherheit und viele neue Möglichkeiten für Anmelderinnen und Anmelder
Markenrechtliches Symposium von Bundespatentgericht und Deutschem Patent- und Markenamt – Katharina Mirbt: „Große Offenheit für neue Markenformen und weitgehende Einheitlichkeit im europäischen Binnenmarkt“ – Mehr Handlungsoptionen und höhere Verlässlichkeit durch europäische Harmonisierung
Diskussionen über Grundlinien und Einzelaspekte des neuen Markenrechts, Perspektivenvielfalt zu Nutzen und Auslegung der neuen Regelungen vor dem europäischen Markenrechtshorizont: Fünf Jahre nach Inkrafttreten des Markenrechtsmodernisierungsgesetz haben Bundespatentgericht (BPatG) und Deutsches Patent- und Markenamt (DPMA) bei einem gemeinsamen Symposium in München eine vorläufige Bilanz gezogen. Vor etwa 100 Markenrechtsspezialisten aus Gerichten, Anwaltschaft und Behörden berichteten BPatG und DPMA insbesondere über Erfahrungen mit der neuen Gewährleistungsmarke, modernen Markenformen und neuen Schutzhindernissen, gaben einen intensiven Einblick in die Praxis der Löschungsabteilung mit den neuen Nichtigkeitsverfahren und stellten praxisrelevante europäische Konvergenzprogramme zur einheitlichen Praxis vor. Belebt wurde die Veranstaltung durch die rege Diskussion auf dem hochkarätig besetzten Panel.
Nach einer Begrüßung durch die Präsidentin des BPatG, Dr. Regina Hock, und dem Vizepräsidenten des DPMA, Bernd Maile, resümierte die Leiterin der Hauptabteilung Marken und Designs des DPMA, Katharina Mirbt, über "Fünf Jahre MaMoG" aus Sicht des DPMA.
Die europäischen Regelungen hätten glücklicherweise einen weitgehend einheitlichen Rahmen für das Markenrecht im europäischen Binnenmarkt geschaffen, betonte Mirbt. Durch die breite Kooperation und das große Engagement aller Akteure im DPMA sei es gelungen, die komplexe novellierte europäische Markenrechtsrichtlinie rechtlich und technisch praxistauglich ins deutsche Recht umzusetzen.
Katharina Mirbt gab zunächst einen Einblick in die Prüfungspraxis zur Gewährleistungsmarke und beleuchtete das Anmeldeverhalten bei den modernen Markenformen. Die durch das MaMoG neu eingeführte Gewährleistungsmarke, deren Sichtbarkeit im Markenregister mit der Eintragung des "Grünen Knopf" begann, ist besonders für Zertifizierer interessant: Eine Gewährleistungsmarke garantiert, dass Waren oder Dienstleistungen der Nutzer der Gewährleistungsmarke bestimmten Standards oder Eigenschaften entspricht, die der Markeninhaber festgelegt hat – etwa die biologische Herstellung der Waren, faire Produktionsbedingungen oder bestimmte technische Standards. Anders als die Individualmarke mit ihrer betrieblichen Herkunftshinweisfunktion auf einen bestimmten Anbieter hat die Gewährleistungsmarke also eine Garantiefunktion. Die notwendige Neutralität des Gewährleistungsmarkeninhabers wird erreicht, indem er die Produkte, für deren Beschaffenheit er garantiert, nicht selbst anbieten darf. Eine wichtige und strittige Frage bei der Prüfung von Gewährleistungsmarken ist, wie stark der gewährleistende Charakter aus der Markendarstellung ersichtlich sein muss – nach Ansicht des DPMA durch garantieanzeigende Worte wie „geprüft“, „Gütesiegel“ oder garantieanzeigende Bildbestandteile von „geprüft“- Häkchen bis zu siegelartigen Aufmachungen.
Bei den durch die Abschaffung des Erfordernisses grafischer Darstellbarkeit nun rechtlich und technisch ermöglichten modernen Markenformen wie Multimedia-, Klang-, Bewegungs- und Mustermarke sowie sonstigen kreativen Markenformen ist die Nachfrage bisher eher überschaubar: Insoweit habe es bisher etwa 200 Anmeldungen gegeben, die überwiegend eingetragen wurden.
Die neuen technischen Möglichkeiten, 3-D-Marken, Klang- und Bewegungsmarken durch Dateiformate wie MP3, MP4 anschaulicher im Register darzustellen, werden gern genutzt. Die große rechtliche Offenheit für neue Markenformen dürfte in der Praxis aber gern auch noch mehr in Anspruch genommen werden.
Die durch das MaMoG vor allem im Lebensmittelbereich hinzugetretenen Eintragungshindernisse für Marken aufgrund übereinstimmender älterer geschützter geografischer Angaben wie beispielsweise "Glückstädter Matjes", "Hallertauer Hopfen" oder "Westfälischer Pumpernickel" stellen sowohl die Prüferinnen und Prüfer wie auch Markenanmelder vor Herausforderungen. Denn beide müssen recherchieren, ob der Marke eine ältere geschützte geografische Bezeichnung entgegensteht. Dabei profitieren beide nun von verbesserten Recherchemöglichkeiten. Geschützte geografische Herkunftsangaben und geschützte Ursprungsbezeichnungen rund ums Essen und Trinken lassen sich in den Datenbanken eAmbrosia der Europäischen Kommission und GIview des EUIPO sehr gut recherchieren.
Die neue Option der Eintragung von Lizenz- und Verkaufsbereitschaft im Register wurden bisher bei etwa 15% der knapp 317.000 von Januar 2019 bis Juli 2024 eingetragenen Marken genutzt.
Moderne Markenformen und Gewährleistungsmarken als wertvolle Neuerungen – das meint das Podium …
Noch kein Massenphänomen, aber sinnvoll und zukunftstauglich – das war auch der Tenor der Podiumsdiskussion. Die neuen Markenformen und technischen Darstellungsoptionen bieten Nutzern ganz neue Möglichkeiten. Panelist Prof. Dr. Maximilian Kindeldey, Rechtsanwalt der Kanzlei Grünecker in München betont, dass der Abschied von der grafischen Darstellbarkeit einer Marke überfällig war. Die neuen Markenformen seien eine sehr wertvolle Änderung, die von Medien- und Techkonzernen gern für Multimediamarken genutzt werden. Bei der Darstellung der Bewegungsmarken ist die frühere, teils unzulängliche Darstellung in Daumenkino-Art dem mp4-Format gewichen.
Die Panelistin Ortrun Güntzel, Partnerin und Head of Trademarks bei df-mp Patent- und Rechtsanwälte in München und Spezialistin für Gewährleistungsmarken, kritisiert die oft hohen und schwer zu erfüllenden Anforderungen an die Satzung beim Verweis auf DIN- oder ISO-Qualitätsstandards, vor allem beim EUIPO. Zudem hält sie es für nicht erforderlich, dass eine Gewährleistungsmarke einen expliziten Hinweis wie „geprüft“ oder „zertifziert“ enthalte, vor allem, wenn im Markt etablierte Kennzeichnungen schon seit Jahren im Sinne einer Gewährleistung verstanden werden. Katharina Mirbt begründete die insoweit strengere Praxis des DPMA damit, dass der Verbraucher genau erkennen können müsse, ob eine Marke auf eine von einem (unabhängigen) Zertifizierer garantierte Produkteigenschaft hinweise oder lediglich auf den Produkthersteller selbst.
Detlef von Ahsen, Präsident des Bundesverbandes Deutscher Patentanwälte und Patentanwalt bei Kuhnen & Wacker in Freising, begrüßt die Einführung eines Markennichtigkeits- und Verfallsverfahrens beim DPMA. Die weiter bestehende Möglichkeit einer entsprechenden Klage beim Landgericht bietet aufgrund der kürzeren Verfahrensdauer zwar einen zeitlichen Vorteil, die Verfahren vor dem DPMA sind jedoch sehr viel kostengünstiger und eine Kostenauferlegung an die unterliegende Partei findet nur selten statt. Dagegen lehnt Herr von Ahsen die Abschaffung des wandernden Benutzungszwangs im Widerspruchsverfahren ab. Er hätte sich gewünscht, dass die rechtserhaltende Benutzung einer Marke einmal zum Zeitpunkt des Widerspruchs und ein zweites Mal bei einem bisher nicht vorgesehenen Hinweis, dass der Widerspruch zur Entscheidung ansteht, nachgewiesen werden muss.
Verfalls- und Nichtigkeitsverfahren: von neuer Video-Option und dem Schützenlisl-Fall
Seit dem Jahr 2020 können infolge des MaMoG beim DPMA auch Nichtigkeitsverfahren wegen älterer Rechte sowie Verfallsverfahren unter Zahlung der Weiterverfolgungsgebühr zur inhaltlichen Prüfung weitergeführt werden (Option von Videoanhörungen inklusive). Damit haben die Nutzer die Wahl zwischen einem Verfahren beim DPMA und einem Verfahren bei einem ordentlichen Gericht. Am Beispiel des Schützenlisl-Falls legte Monika Schwarz, Leiterin der Abteilung für Markenlöschungsverfahren beim DPMA neben statistischen Informationen und vielen Praxistipps sehr detailreich und praxisnah die Möglichkeiten dar, die das MaMoG nunmehr speziell bei Verfallsverfahren bietet: das Nebeneinander von Verfallsverfahren beim DPMA und vor den ordentlichen Gerichten.
Der Spirit der europäischen Konvergenz mit dem DPMA als geschätztem Akteur
Dr. Senta Bingener, Abteilungsleiterin Markenprüfung beim DPMA, stellte den Nutzen der europäischen Konvergenzprogramme für die Vereinheitlichung von Prüfungspraktiken in den Fokus. Dabei meint Konvergenz Harmonisierung der Anwendungspraxis von EUIPO und der europäischen Ämter über das Gesetz hinaus. Konvergenzprogramme gibt es zu vielen praxisrelevanten Themen, etwa "Neue Markenformen – Prüfung auf formale Anforderungen und Schutzhindernisse".
Jeweils aufgesetzt durch den Verwaltungsrat des EUIPO in Alicante werden sie in einem etwa 2-jährigen Prozess durchgeführt mit Experten aus EUIPO, nationalen Ämtern - das DPMA ist wegen seiner Expertise und den hohen Fallzahlen immer ein gern gesehener Teilnehmer - und Nutzerverbänden. Die Konvergenzprogramme münden jeweils in Mitteilungen zur Gemeinsamen Praxis, die die teilnehmenden Ämter in ihrer Praxis binden und so für die Nutzer noch mehr Planbarkeit und Rechtssicherheit im Binnenmarkt schaffen.
Zur aktuellen Rechtsprechung des Bundespatentgerichts
Dr. Christian Meiser vom BPatG referierte über ausgewählte aktuellere Entscheidungen der Markensenate des BPatG zu verschiedensten Fallkonstellationen. Insbesondere berichtete er von der Entscheidung des BPatG in der Sache der Geruchsmarke "Geruch von Honig aus Nektar von Besenheidenblüten für Golfbälle", die trotz der Öffnung des Markenregisters für moderne Markenformen nicht schutzfähig ist, weil dieser Geruch nicht eindeutig und klar bestimmbar ist.
Bilder: DPMA
Stand: 24.09.2024
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