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Innovationspotential liegt brach - Nur sechs Prozent Erfinderinnen

Frauen bei Patentanmeldungen in Deutschland stark unterrepräsentiert – DPMA-Präsidentin: Bessere Vereinbarkeit von Beruf und familiären Herausforderungen nötig

Pressemitteilung vom 21. Dezember 2018

München. Deutschland fördert den Erfindergeist von Frauen zu wenig. Unter den deutschen Erfindern ist nur jede sechzehnte eine Frau. Wie eine statistische Analyse des Deutschen Patent- und Markenamts (DPMA) ergab, lag der Frauenanteil bei den Erfinderbenennungen für die im vergangenen Jahr veröffentlichten Patentanmeldungen für den deutschen Markt bei 6,3 Prozent. In den klassischen Ingenieurbereichen war die Quote noch wesentlich geringer, gehoben wurde der Gesamtwert durch den deutlich höheren Frauenanteil in den Naturwissenschaften. Auffällig ist, dass die süddeutschen Bundesländer, die in der DPMA-Rangliste bei der Gesamtzahl der Patentanmeldungen ganz vorne liegen, beim Frauenanteil nur hintere Plätze belegen. "Frauen haben die gleichen Fähigkeiten wie Männer. Mit gut sechs Prozent Erfinderinnenanteil nutzen wir das Innovationspotenzial unseres Landes aber nicht optimal aus", sagte DPMA-Präsidentin Cornelia Rudloff-Schäffer. "Wir müssen die Fähigkeiten und Erfahrungen von Frauen stärker nutzbar machen, wenn wir unsere Spitzenstellung in Forschung und Entwicklung behaupten wollen."

Überblick Jahr 2017 - Erfindersitz in Deutschland[1]
Anzahl Anmeldungen (national + PCT nationale Phase) veröffentlichte Erstanmeldungen mit Wirkung in Deutschland (DPMA + EPA)
Erfinderbenennungen 104.172 95.714
- mit weiblichem Vornamen 5.978 5.888
- mit männlichem Vornamen 96.738 88.305
- nicht zuordenbar 1.456 1.521
Zuordnungsrate 98,6% 98,4%
Anteil von Erfinderinnen an den zuordenbaren Erfinderbenennungen 5,8% 6,3%
[1]Die Zuordnung zu einem Geschlecht erfolgte auf Basis des "Gender Name Dictionary" der WIPO, verfügbar unter: https://www.wipo.int/publications/en/details.jsp?id=4125

Die Analyse zum Erfinderinnenanteil führte das DPMA zum ersten Mal durch. Ausgewertet wurden die veröffentlichten Patentanmeldungen von inländischen Erfindern beim Deutschen Patent- und Markenamt und beim Europäischen Patentamt. Neben den Namen der Anmelder wird regelmäßig auch der Name der Erfinder angegeben. Unter den genannten Erfinderinnen und Erfindern wurde der Anteil der Frauen ermittelt. Eine Analyse der Entwicklung seit 2008 zeigt, dass die Kurve des Erfinderinnenanteils leicht ansteigt. Im Jahr 2008 hatte der Erfinderinnenanteil in Deutschland noch bei lediglich 5 Prozent gelegen.

Anteil Erfinderinnen - Veröffentlichte Erstanmeldungen 2008 bis 2017 - Deutschland
Veröffentlichungsjahr Anteil Erfinderinnen
2008 5,0%
2009 5,1%
2010 5,3%
2011 5,2%
2012 5,5%
2013 5,7%
2014 5,7%
2015 6,2%
2016 6,1%
2017 6,3%

Die höchste Erfinderinnenquote hat der Technologiesektor Chemie (15,9 Prozent), es folgen die Bereiche für Möbel und Spiele sowie der Konsumgüter und des Bauwesens (sonstige Gebiete) mit 7,2 Prozent und der technische Instrumente-Sektor mit 6,3 Prozent. In der Elektrotechnik sind Frauen nur zu 4,7 Prozent, im Maschinenbau sogar nur zu 3,9 Prozent vertreten.

Anteil Erfinderinnen - Veröffentlichte Erstanmeldungen nach Sektoren[1] (2015 - 2017) - Deutschland
Sektor Anteil Erfinderinnen Anteil Erfinderbennenungen an Gesamt
Elektrotechnik 4,7% 19,7%
Instrumente 6,3% 15,0%
Chemie 15,9% 13,0%
Maschinenbau 3,9% 45,4%
Sonstige Gebiete 7,2% 7,0%
Gesamt 6,2% 100,0%
[1] gemäß WIPO IPC-Technologie Konkordanztabelle, verfügbar unter: https://www.wipo.int/ipstats/en/index.html#aresources

Ein noch genaueres Bild ergibt sich, wenn man die einzelnen Technologiefelder betrachtet. Während der Anteil der Erfinderinnen in der Chemie und in der Biotechnologie bei bis zu einem Drittel liegt, ist er vor allem in der Kommunikationstechnik und in den Maschinenbaubereichen weit unterdurchschnittlich.

Anteil Erfinderinnen - Veröffentlichte Erstanmeldungen nach Technologiefeldern[1] (2015 - 2017) - Deutschland
Technologiefelder Anteil Erfinderinnen Anteil Erfinderbennenungen an Gesamt
1) Elektrische Maschinen und Geräte, elektrische Energie 4,3% 10,1%
2) Audiovisuelle Technik 4,4% 1,5%
3) Telekommunikationstechnik 3,7% 1,0%
4) Digitale Kommunikationstechnik 4,0% 1,9%
5) Grundlegende Verfahren der Kommunikationstechnik 2,4% 0,5%
6) Computertechnik 5,4% 2,1%
7) Datenverarbeitungsverfahren für betriebswirtschaftliche Zwecke 6,8% 0,3%
8) Halbleiter 7,5% 2,2%
9) Optik 6,0% 1,6%
10) Messtechnik 4,4% 7,1%
11) Analyse biologischer Stoffe 22,8% 0,3%
12) Steuerungs- und Regelungstechnik 5,6% 2,5%
13) Medizintechnik 9,5% 3,5%
14) Organische Feinchemie 32,4% 1,7%
15) Biotechnologie 28,0% 0,8%
16) Arzneimittel 21,9% 0,4%
17) Makromolekularchemie, Polymere 21,1% 0,8%
18) Lebensmittelchemie 17,8% 0,2%
19) Grundstoffchemie 23,0% 1,6%
20) Materialien, Hüttenwesen 9,3% 2,0%
21) Oberflächentechnik, Beschichtungen 8,7% 1,4%
22) Mikro- und Nanotechnologie 9,1% 0,3%
23) Chemische Verfahrenstechnik 7,9% 1,9%
24) Umwelttechnik 6,0% 1,7%
25) Fördertechnik 3,6% 3,2%
26) Werkzeugmaschinen 3,0% 3,9%
27) Motoren, Pumpen, Turbinen 3,8% 7,8%
28) Textil- und Papiermaschinen 7,2% 1,5%
29) Sonstige Sondermaschinen 4,6% 3,5%
30) Thermische Verfahren und Apparate 6,2% 2,0%
31) Maschinenelemente 2,9% 9,3%
32) Transport 4,0% 14,1%
33) Möbel, Spiele 8,4% 1,7%
34) Sonstige Konsumgüter 10,3% 2,4%
35) Bauwesen 3,9% 2,9%
Gesamt 6,2% 100,0%
[1] gemäß WIPO IPC-Technologie Konkordanztabelle, verfügbar unter: https://www.wipo.int/ipstats/en/index.html#aresources

Die Rangliste der Bundesländer führt Hamburg mit einer Erfinderinnenquote von 16,3 Prozent an, gefolgt von Schleswig-Holstein (10,6 Prozent) und Mecklenburg-Vorpommern (10,4 Prozent). Auf den hinteren Plätzen liegen Bayern (5,3 Prozent), Bremen und Brandenburg (beide 4,8 Prozent) sowie Baden-Württemberg (4,5 Prozent).

Anteil Erfinderinnen - Veröffentlichte Erstanmeldungen nach Bundesländern (2015 - 2017)
Bundesland Anteil Erfinderinnen Anteil Erfinderbennenungen an Gesamt
Baden-Württemberg 4,5% 30,9%
Bayern 5,3% 28,0%
Berlin 9,4% 2,5%
Brandenburg 4,8% 1,0%
Bremen 4,8% 0,2%
Hamburg 16,3% 1,7%
Hessen 7,1% 4,9%
Mecklenburg-Vorpommern 10,4% 0,4%
Niedersachsen 6,8% 6,4%
Nordrhein-Westfalen 8,5% 14,8%
Rheinland-Pfalz 6,0% 2,5%
Saarland 6,8% 0,5%
Sachsen 6,6% 2,9%
Sachsen-Anhalt 9,3% 0,5%
Schleswig-Holstein 10,6% 1,5%
Thüringen 6,3% 1,3%
Nicht zugeordnet 9,3% 0,1%
Gesamt 6,2% 100,0%

Signifikant ist jedoch, dass der Frauenanteil bei technischen Innovationen offenbar abnimmt: Der Anteil der Absolventinnen in Ingenieurwissenschaften liegt laut dem Nationalen Pakt für Frauen in MINT-Berufen, „Komm, mach MINT“, in Deutschland externer Link seit 15 Jahren bei mehr als 20 Prozent (2017: 23,1 Prozent), in Naturwissenschaften liegt er seit Jahren externer Link bei mehr als 40 Prozent (2017: 48,5 Prozent). In Forschungs- und Entwicklungsabteilungen von Unternehmen gab es 2015 nach Zahlen des Stifterverbandes externer Link immerhin 19 Prozent Frauen. Bei den Patentanmeldungen waren Erfinderinnen im Jahr 2017 aber nur zu 6,3 Prozent vertreten. "Die Zahlen legen nahe, dass mit der Wahl des Studiengangs noch lange nicht alle Weichen gestellt sind", sagte DPMA-Präsidentin Rudloff-Schäffer. "Auf dem Weg von der Hochschule bis zur marktfähigen Erfindung wird ein erheblicher Teil weiblichen Innovationspotenzials nicht ausgeschöpft."

Die DPMA-Präsidentin wirbt dafür, sich weiter für mehr Frauen in den sogenannten MINT-Berufen (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften, Technik) zu engagieren: "Untersuchungen zeigen, dass Kampagnen zur Aktivierung von Mädchen und Frauen erfolgreich sein können. Das gilt in der Schule, in der Hochschule, in Forschungsinstituten – und natürlich auch in den Unternehmen." Frauen für Forschung und Entwicklung zu gewinnen, sei eben auch eine Herausforderung in der Arbeitswelt. Spitzenleistungen erforderten Spitzeneinsatz. Um diesen möglich zu machen, müssten die Rahmenbedingungen für Innovation und Kreativität gerade im Hinblick auf die Vereinbarkeit mit dem Privatleben über die gesamte Spanne des Berufslebens auf die Bedürfnisse von Frauen abgestimmt sein. Das setzt Flexibilität bei Arbeitszeit und Arbeitsort ebenso voraus wie ein verlässliches Netz von Unterstützung bei familiären Herausforderungen - genauso wie bei Männern.

Das DPMA war Anfang des Jahres 2018 der Initiative „Komm, mach MINT“ beigetreten. Zudem hat die Vereinbarkeit von Beruf und Familie bei der Leitung der Bundesbehörde höchste Priorität. Mehr als ein Drittel der rund 2 700 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter arbeiten bereits teilweise in Telearbeit (Home-Office). Zudem gibt es zahlreiche, auf die individuelle Situation zugeschnittene Teilzeitmodelle für Männer und Frauen – bis hin zu Führungspositionen auf Abteilungsleitungsebene.

Das Deutsche Patent- und Markenamt

Erfindergeist und Kreativität brauchen wirksamen Schutz. Das DPMA ist das deutsche Kompetenzzentrum für alle Schutzrechte des geistigen Eigentums – für Patente, Gebrauchsmuster, Marken und Designs. Als größtes nationales Patentamt in Europa und fünftgrößtes nationales Patentamt der Welt steht es für die Zukunft des Erfinderlandes Deutschland in einer globalisierten Wirtschaft. Seine rund 2 700 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an drei Standorten – München, Jena und Berlin – sind Dienstleister für Erfinder und Unternehmen. Sie setzen Innovationsstrategien des Bundes um und entwickeln die nationalen, europäischen und internationalen Schutzsysteme weiter.

Stand: 15.03.2024