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Konrad Adenauer als Erfinder

Konrad Adenauer auf dem Bundesparteitag der CDU 1965

Konrad Adenauer auf dem Bundesparteitag der CDU 1965

Soja-Wurst und Killer-Bürste

Konrad Adenauer ist bekannt als der erste Kanzler der Bundesrepublik, als „der Alte von Rhöndorf“, der die junge BRD an den Westen band, die Aussöhnung mit Frankreich erreichte, die Wirtschaft wundern ließ, Europas Einigung vorantrieb und die letzten Kriegsgefangenen aus Russland heimbrachte. Weniger bekannt ist, dass man Adenauer, der vor 55 Jahren starb, auch noch andere Dinge zuschreibt: So zeigen vertrauliche CDU-Papiere, dass er einige Jahre lang die SPD-Spitze ausspionieren ließ. Und Patent-Dokumente belegen, dass er sich zeitlebens auch als Erfinder betätigte.

Adenauer, geboren 1876, war Jurist und ab 1906 in seiner Heimatstadt Köln als Beigeordneter des Oberbürgermeisters politisch aktiv. Während des Ersten Weltkrieges war er für die Lebensmittelversorgung verantwortlich – eine schwierige Aufgabe, denn die Nahrungsmittel wurden immer knapper, je länger der Kampf dauerte. Adenauer wollte aber nicht nur den Mangel verwalten, sondern selbst aktiv etwas dagegen tun.

Not-Brot aus Maismehl

DE296648

DE296648

Gemeinsam mit zwei Mitstreitern entwickelte der Spross einer Kölner Bäckerfamilie eine Art Not-Brot. Da Getreide ein rares Gut und selbst Ersatzstoffe wie Kartoffelmehl knapp geworden waren, entwickelte er ein Brot auf Mais-Basis. Für das „Verfahren zur Herstellung eines dem rheinischen Roggenschwarzbrot ähnelnden Schrotbrotes“ erhielten Adenauer sowie Jean und Josef Oebel am 2. Mai 1915 ein Patent ( pdf-Datei DE296648A; auch pdf-Datei AT74310).

Das Geheimnis dieses Brotes: den Mais erst schälen und trocken. „Es hat sich nun gezeigt, daß ein wesentlich anderes Ergebnis erhalten wird, wenn man nicht das Maiskorn röstet und hieraus Mehl bereitet, sondern wenn man erst aus entschältem Mais Mehl herstellt, dieses Mehl der Dörrung unterwirft und nunmehr zur Brotbereitung verwendet. Der zugesetzte Grundsauer entwickelt dann einen angenehm schmeckenden, gut aufgehenden Teig.“

Erfinder der Veggie-Wurst

Dieses „Adenauer-Brot“ soll in modifizierter Form bis heute (bzw. wieder) in bestimmten Kölner Bäckereien erhältlich sein. Das Mais-Brot war aber nicht Adenauers einzige Erfindung zur Bekämpfung der Lebensmittelnot im Krieg. Da auch Fleisch Mangelware war, setzte er auf einen gesunden Ersatz: Sojabohnen. Adenauer wurde gewissermaßen zum Erfinder der Veggie-Wurst:
„Der Zweck ist, dem viel billigeren Pflanzeneiweiß in größerem Maße wie bisher im Verzehr Eingang zu verschaffen, nicht neben, sondern an Stelle des tierischen Eiweißes. Der Zweck soll dadurch erreicht werden, dass dem Konsumenten das Pflanzeneiweiß gewissermaßen unter der Maske der Fleischnahrung gegeben wird, weil das Volk die Fleischnahrung kennt und liebt. Dies läßt sich erreichen durch eine beliebte Form der Fleischnahrung, durch die Wurst“.

Anmeldung über Strohmann

Dies schrieb Adenauer 1915 an seinen Patentanwalt, aber der blieb skeptisch – ebenso das Kaiserliche Patentamt. Selbst als Adenauer den Patentanwalt wechselte und seine Anmeldung mittels eines Strohmanns einreichte, sah das Patentamt in seinem "Verfahren zur Geschmacksverbesserung von eiweißreicher und fetthaltiger Pflanzenmehle und zur Herstellung von Wurst" keine patentfähige Erfindung (es gab wohl vor allem lebensmittelrechtliche Bedenken).

Patente in Großbritannien und Österreich, aber nicht in Deutschland

Wahlkampfplakat

Als Erfinder hielt er sich nicht an den Slogan: Wahlkampfplakat der CDU 1957

Aber Adenauer ließ sich nicht entmutigen und meldete seine Soja-Wurst eben im Ausland an. Das „Verfahren zur Haltbarmachung von Wurst und dergl.“, das sein Strohmann August Schlüter anmeldete, erhielt ein Patent in Österreich ( pdf-Datei AT81019). Adenauer beschreibt darin einen besonderen Effekt der Sojabohne:

„In erster Linie kommt die Sojabohne in Betracht zur Konservierung von Fleisch. Zwar säuern Sojabohnen in angefeuchtetem Zustande, z. B. in Form eines mit Wasser angerührten Breies, auch wenn dieser gekocht ist, ziemlich rasch, bringt man sie aber in Verbindung mit Fleisch, so verhindern sie, soweit diese Verbindung reicht, dessen Zersetzung und verderben auch selbst nicht. Worauf diese eigentümliche Erscheinung beruht, ist nicht völlig klar.“

Diese „Erscheinung“ nutzte er zur Haltbarmachung und „Aufwertung“ seiner Soja-Wurst (die also nicht wirklich vegetarisch war): „Es handelt sich um die Beimischung eines rein vegetabilischen Stoffes, der nicht nur unschädlich, sondern sogar stark eiweißhaltig ist, dessen Zusatz also den Nährwert der konservierten Nahrungsmittel noch erhöht. Auch wird der Geschmack der letzteren nicht mehr, wie bei anderen konservierenden Mitteln, ungünstig beeinflußt.“

Adenauer meldete dieses Verfahren im Juni 1918, also noch während des Krieges, auch in Großbritannien zum Patent an – was eine kuriose Note hat, war doch die Seeblockade des deutschen Kriegsgegners mitverantwortlich für die Lebensmittelknappheit, die Adenauer mit seiner Erfindung lindern wollte. Er erhielt sein britisches Patent (unter seinem eigenen Namen diesmal), „lmprovements in the Composition and Manufacture of Sausage, Meat and the like“ ( pdf-Datei GB131402), im August 1919. Auch in Frankreich, einem weiteren Gegner, meldete er während des Kriegs seine Erfindung an und erhielt ein Patent ( pdf-Datei FR516924).

Leuchtendes Stopfei, transparenter Toaster

DE-Marke 3020201030289

DE-Marke 3020201030289

In den folgenden Jahren ruhte Adenauers Erfindertätigkeit, da er im September 1917 Oberbürgermeister von Köln geworden war und in der Folge zu einem prominenten Politiker der Weimarer Republik aufstieg. Aber als die Nationalsozialisten ihn nach ihrer Machtübernahme 1933 als Oberbürgermeister absetzten, zeitweise inhaftierten und ihn politisch „kalt“ stellten, erwachte sein Erfindergeist allein schon aus Mangel an Beschäftigung wieder.

Alle Bereiche von Haus und Garten wurden ihm zur Inspiration für seine Optimierungstüfteleien: Seiner Frau wollte er mit einem beleuchteten „Stopfei“ das Flicken von Löchern erleichtern. Er nannte sein batteriebetriebenes Stopfei „Einrichtung zur Ausbesserung von Geweben“ und schilderte den Beamten des Reichspatentamtes (so hieß der Vorgänger des DPMA mittlerweile) die Vorzüge:

„Bei weniger hellem Tageslicht und bei künstlichem Licht sind die schadhaften Stellen (...) nur schwer oder gar nicht zu erkennen“, sein Stopfei bringe daher „eine erhebliche Verbesserung gegenüber den jetzt im Gebrauch befindlichen Unterlagen und eine Erleichterung der Arbeit unter Einsparung von Licht, indem sie die aus einem durchscheinenden Material herzustellenden Unterlagen von innen her, das heißt von der dem herübergezogenen Gewebe entgegengesetzten Seite her, durch eine kleine elektrische Birne erhellt“.

Aber auch diesmal erhielt er kein deutsches Patent, denn es gab bereits einige ähnliche Anmeldungen in den USA. Ende der 1930er Jahre brachte AEG eine beleuchtete pilzförmige Stopfhilfe auf den Markt.

Im Haus verbesserte Adenauer noch unter anderem den Brotröster mittels einer Sichtscheibe und bastelte eine Zeitschaltuhr für seine Nachttischlampe.

Tödliche Bürste

"Elektrobürste zur Schädlingsbekämpfung"

Gefährliches Gerät: "Elektrobürste zur Schädlingsbekämpfung"

Besonders aktiv wurde er aber im Garten: Viel Zeit und Arbeit investierte er in eine "Elektrobürste zur Schädlingsbekämpfung". Er ließ sich von der AEG einige Elektroden in eine Tapezierbürste einbauen, die zusätzlich in eine giftige Lösung getaucht werden sollte. Damit wollte er Baumstämme und Sträucher bestreichen, die von Ungeziefer befallen waren. Den Schädlingen hätte das Gerät dank einer Spannung von 1000 Volt mit Sicherheit den Garaus gemacht – aber leider wohl auch dem Gärtner. Unter Umständen „absolut tödlich“, warnte die AEG. Wieder verweigerte das Reichspatentamt Adenauers Erfindung den Schutz.

Absolut ungefährlich, aber anscheinend auch nicht patentwürdig war Adenauers Erfindung eines aufklappbaren Aufsatzes für eine Gießkanne. Er sprach von einem „ortsfesten Brausekopf, der das Gießen mit einem ungeteilten Strahl und mit Sprühregen ermöglicht und leicht gereinigt werden kann“. Auch dazu korrespondierte er ausführlich, aber erfolglos mit dem Reichspatentamt.

Fleischklopfer und Gartenharke

Gartenharke mit Hammerkopf

Harkt und hämmert: Gartenharke mit Hammerkopf

Außerdem verbesserte er eine Gartenharke, indem er auf die Rückseite den Kopf eines Fleischklopfers aufschweissen ließ. Damit sollten sich größere Erdklumpen in Blumenbeeten zerkleinern lassen. Und er tüftelte an einem verbesserten Mundstück für den Gartenschlauch. Diese Erfindungen kann man heute im externer Link Adenauer-Museum in seinem Haus in Rhöndorf bestaunen.

Adenauer hatte sich in seiner langen „Erfinderlaufbahn“ auch schon sehr früh Gedanken darüber gemacht, wie man die Staubentwicklung beim Automobilfahren reduzieren könnte. Er war zeitlebens ein Auto-Fan und tüftelte etwa an einer verbesserten Federung, einer „Abblendungsscheibe für PKW-Fahrer“ oder an einer „Blendschutzbrille für Fußgänger“.

Umweltschutz lag ihm offenbar am Herzen, denn er arbeitete an einem „Verfahren zur Verhütung der Verunreinigung der Luft durch Abgase, Ruß usw. der Feuerstellen“. Auch Sicherheit war ihm wichtig, denn er erfand eine „Vorrichtung zur Verhinderung des Überfahrenwerdens durch Straßenbahnwagen“. Dabei soll es sich um eine rotierende Walze gehandelt haben, die unaufmerksame Fußgänger gleichsam aus dem Weg gefegt hätte.

„Erfinder“ der Autobahn?

Adenauer vor Mikrofonen

Eine andere „Erfindung“ wird leider nie mit Adenauer in Verbindung gebracht, sondern zu Unrecht mit einer ganz anderen Gestalt: Hartnäckig hält sich die Legende, die deutschen Autobahnen gingen auf Adolf Hitler zurück. Dabei war die Konzeption dieser Fernstraßen eine Errungenschaft der Weimarer Republik. Und es war Konrad Adenauer, der am 6. August 1932 als Kölner Oberbürgermeister die erste Autobahn, die heutige A 555, eröffnete. Er pries und förderte das Konzept als eines für die Straßen der Zukunft.

Nach dem Zusammenbruch des NS-Regimes hatte Adenauer keine Zeit mehr für neue Erfindungen. Er kehrte – obwohl bereits im Rentenalter – wieder zurück in die Politik. 1945 wurde er vorübergehend nochmal Oberbürgermeister in Köln, später Präsident des Parlamentarischen Rats und schließlich der erste Kanzler der neuen westdeutschen Republik.

„Versöhnung“ mit dem Patentamt

Als Bundeskanzler gratulierte Adenauer dem Patentamt, mit dem er im Lauf der Jahrzehnte so oft zu tun gehabt hatte, herzlich zur Wiedereröffnung am 1. Oktober 1949. Er nahm es offenbar nicht persönlich, dass es ihm für seine insgesamt rund 40 Erfindungen nur ein einziges Patent (auf das Mais-Brot) gewährt hatte. Adenauer schrieb, es erfülle ihn „mit besonderer Genugtuung“, dass das Patentamt die erste obere Bundesbehörde der Bundesrepublik sei, die ihre Arbeit wieder aufnehme. Es werde „von noch höherer Bedeutung sein als früher“.

Als Adenauer nach 14 Jahren als Bundeskanzler im Alter von 87 Jahren 1963 endgültig in den Ruhestand ging, scheint seine Erfindungslust nicht wieder aufgeflammt zu sein. Zumindest sind aus dieser Zeit keine weiteren Ideen mehr bekannt. Aber er hatte auch genug damit zu tun, die Politik seines Nachfolgers (Ludwig Erhardt) kritisch zu kommentieren. Konrad Adenauer, Staatsmann und Erfinder, starb am 19. April 1967.

Text: Dr. Jan Björn Potthast, Bilder: Gerhard Heisler Bundesarchiv B145 F019973-0017 CC by SA.30 via Wikimedia Commons, DEPATISnet, CDU CC by SA 3.0 via Wikimedia Commons, DPMAregister, Stiftung Bundeskanzler-Adenauer-Haus, Harald Odehna Stiftung Bundeskanzler-Adenauer-Haus, Bundesregierung/Unterberg

Stand: 09.04.2024