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Von der Stunde Null zu neuen Patentämtern in Ost und West: die Jahre 1941 bis 1950

Ansicht des zerstörten Dienstgebäudes an der Gitschiner Straße

Ansicht des zerstörten Dienstgebäudes an der Gitschiner Straße

Das Ende des verheerenden Zweiten Weltkriegs im Frühjahr 1945 bedeutete auch das Ende aller Reichsbehörden in Deutschland. Es schlug die so genannte "Stunde Null": Deutschland lag in Schutt und Asche. In Berlin war das Gebäude des ehemaligen Reichspatentamts eine zerbombte Ruine. Ein Zustand, der noch Jahre anhalten sollte, wie diese Aufnahme aus dem Jahr 1949 zeigt.

Patentamtsbibliothek wird zum "Schatz im Salz"

Salzbergwerk Heringen

Salzbergwerk Heringen (Werra) vor dem Zweiten Weltkrieg (Quelle: Fotoarchiv Werra-Kalibergbau-Museum Heringen)

Im Reichspatentamt waren seit Ende des Jahres 1943 Vorkehrungen gegen kriegsbedingte Vernichtungen getroffen worden. Es wurde damit begonnen, zehn Patentabteilungen mit 180 000 Akten in ein früheres Kloster ins niederschlesische Striegau, dem heute polnischen Strzegom, und in das benachbarte Städtchen Jauer, die heutige Kreisstadt Jawor, auszulagern. Das Material ging, da keine Eisenbahnwagen zur Verfügung gestellt werden konnten, in Schleppzügen über den Spree-Oder-Kanal.

Die zunehmenden Bombenangriffe auf Berlin machten im Frühjahr 1944 zudem eine Verlagerung von weiteren Beständen des Patentamts unumgänglich: Aus Sicherheitsgründen wurden große Teile der Bibliothek ins rund 400 Kilometer entfernte hessische Heringen (Werra) verbracht.

Schätze im Salz

Über die Einlagerungen während des Krieges, die "Schätze im Salz", informiert das Werra-Kalibergbau-Museum Heringen unter diesem Titel in einer bebilderten Zeitreise auf seiner Homepage.

Dort wurde das Behördengut, etwa 250 000 Bände - andere Quellen sprechen gar von 320 000 -, in den Schacht des Salzbergwerks eingelagert. Dieser Schacht, rund 600 Meter unter der Erde, war aufgrund seiner natürlichen Beschaffenheit relativ trocken und daher besonders gut zur Aufbewahrung von Schriftgut geeignet. Problematisch war, dass die Bücher teilweise schon sehr alt waren und vorsichtig angefasst werden mussten und der Bestand zudem nicht in Unordnung geraten sollte. So wurden die Bücher in wochenlanger Arbeit Tag und Nacht verpackt und in Güterwagons verladen. Neben den Bibliotheksbeständen des Reichspatentamts lagerte in Heringen während des Krieges auch das Archiv der wehrgeologischen Abteilung der Wehrmacht; eine Sammlung, die mit ihren Büchern, Atlanten und Instrumenten später als "Heringen Collection" in Fachkreisen bekannt wurde.

Blick in den Schacht mit Bücherreihen des Salzbergwerks

Einlagerung der Bibliothek des Reichspatentamts 1944/1945 (Quelle: Fotoarchiv Werra-Kalibergbau-Museum Heringen)

In Folge der Kriegshandlungen wurden Ort und Schacht Heringen am 3. April 1945 von amerikanischen Truppen besetzt. Schnell wurden die "Schätze im Salz" entdeckt und geborgen.
Am 10. Februar 1945 kündigte sich auch in Jauer das Kriegsgeschehen an - die Schüsse von sowjetischen Panzern waren zu hören. Zwei Tage später flohen die Männer des Reichspatentsamts zu Fuß und gelangten nach Eger, das heutige Cheb in Teschechien. Die nächste Station für die Mitarbeiter war Lichtenfels bei Coburg. Es gelang, die Akten ebenfalls mitzunehmen. Dort konnten einige Räume im Amtsgericht genutzt werden. Eines Morgens erschienen jedoch die Amerikaner und erklärten alle Akten für beschlagnahmt.

Am 21. April 1945, einem Samstag, wurde auch das Reichspatentamt in Berlin geschlossen.

Patentanwalt aus Chicago erkennt das Wesentliche

Auszug Gesetz

Gesetz vom 5. Juli 1948

Ab Juli 1945 beschlagnahmten dann die amerikanischen Streitkräfte auch 145 000 nicht abschließend bearbeitete Patentakten. Ein von den Alliierten eingesetzter Expertenstab aus den USA, die "Field Intelligence Agency, Technical" (FIAT), verfilmte diese Akten - 3 000 Aufnahmen pro Tag. Den Auftrag dazu hatte der amerikanische Offizier und FIAT-Beauftragte Richard Spencer, vor seinem Kriegseinsatz Patentanwalt in Chicago, erteilt. In den 1950er Jahren übergaben die amerikanischen Behörden diese Filme an das Deutsche Patentamt. Für die Weiterbehandlung von unerledigten Vorkriegsanmeldungen, die in großer Zahl auf Antrag der Anmelderinnen und Anmelder vorgenommen wurden, waren diese Unterlagen unverzichtbar. Noch heute befinden sich die FIAT-Filme im Besitz des Deutschen Patent- und Markenamts und können im Recherchesaal des DPMA Informations- und Dienstleistungszentrums Berlin eingesehen werden.

"Für den Augenblick ist Deutschland kaputt und das deutsche Patentwesen ist auch kaputt", schrieb Spencer in seinem Anfang 1949 im amerikanischen "Journal of the Patent Office Society" (seit 1985 "Journal of the Patent and Trademark Office Society") veröffentlichten Bericht über seine Arbeit nach dem Krieg.

Nüchtern hielt der Patentanwalt damals seine Einschätzung - und das Wesentliche - fest: "Heutzutage hat der deutsche Erfinder praktisch keinen Platz, wohin er sich wenden kann." Diese Feststellung des fachkundigen Experten fand offensichtlich Gehör: am 5. Juli 1948 beschloss der Wirtschaftsrat des Vereinigten Wirtschaftsgebietes die Errichtung von Annahmestellen für Patent-, Gebrauchsmuster- und Warenzeichenanmeldungen.

Der Wiederaufbau des Patentwesens im deutschen Westen beginnt in Darmstadt

Ausschnitt Darmstädter Echo

Ausschnitt aus dem Darmstädter Echo vom 20.10.1948 (Quelle: Stadtarchiv Darmstadt)

Ende April 1945, spätestens aber mit der Kapitulation Deutschlands am 8. Mai 1945, hatte die "patentamtslose Zeit" begonnen. Mit dem Gesetz vom 5. Juli 1948 nahm nun der Wiederaufbau des gewerblichen Rechtsschutzes im Westen Deutschlands Gestalt an: Vom 1. Oktober 1948 an hatten Deutsche dort wieder die Möglichkeit, ihre Erfindung zum Patent oder Gebrauchsmuster anzumelden und Warenzeichen, wie das heutige Schutzrecht Marke damals genannt wurde, eintragen zu lassen. Die beiden Annahmestellen wurden in Darmstadt und in Berlin eingerichtet.
Später liest man hierzu von Ludwig Erhard, dem ersten Wirtschaftsminister der jungen Bundesrepublik, den schönen Satz:

"Das schon in den Anfängen des Wiederaufbaues wach und immer dringlicher werdende Bedürfnis der deutschen Industrie nach einem gesicherten Schutz der technischen Leistung bestätigt auch von der praktischen Seite aus, daß eine moderne, arbeitsteilige Volkswirtschaft zu gedeihlicher Entwicklung des gewerblichen Rechtsschutzes nicht entraten kann."

Vor allem die Annahmestelle Darmstadt verzeichnete in der Zeit ihrer Aufgabenwahrnehmung vom 1. Oktober 1948 bis 30. September 1949 einen enormen Zulauf. In Darmstadt wurden im besagten Zeitraum 56 591 Patente angemeldet (in Berlin 4 411). Damit wurden in Darmstadt in diesen 12 Monaten sogar noch mehr Patente angemeldet, als im letzten Friedensjahr 1938 beim damaligen Reichspatentamt (56 217).

Besonders Fußballerinnen und Fußballern sowie Städtereisenden sind noch heute zwei Erfindungen vertraut, die damals in Darmstadt zum Patent angemeldet wurden:

Die "patentamtslose Zeit" geht zu Ende...

Auszug Gesetz

Gesetz vom 12. August 1949

...im Westen

Am 17. Dezember 1948 bereits hätte ein neues Gesetz den weiteren Wiederaufbau des gewerblichen Rechtsschutzes in Deutschland befördern können - "hätte", denn es wurde von der Militärregierung zunächst nicht genehmigt: das Gesetz über die Errichtung des Deutschen Patentamts im Vereinigten Wirtschaftsgebiet mit Sitz in München. Die weiteren Verhandlungen, bei denen neben Standortfragen - es ging zuletzt noch um Darmstadt, München oder Berlin - auch Bedenken seitens der Alliierten gegen das Gesetz ausgeräumt werden mussten, zogen sich über Monate hin. Walter Strauß, dem damaligen Leiter des Rechtsamtes in der Verwaltung für Wirtschaft des Vereinigten Wirtschaftsgebiets, und seinem beharrlichen Engagement ist es zu verdanken, dass das Anfang August 1949 schließlich genehmigte Gesetz am 12. August 1949 verkündet werden konnte.

Portrait Dr. Eduard Reimer

Professor Dr. Eduard Reimer, Präsident des Deutschen Patentamts von 1949 bis 1957

Zwei Tage später war Wahlsonntag in der seit 23. Mai 1949 bestehenden Bundesrepublik: am 14. August 1949 fanden die Wahlen zum ersten Deutschen Bundestag statt, der dann am 7. September 1949 zu seiner konstituierenden Sitzung zusammentrat.

Bereits am 28. August 1949 wurden die verbliebenen Bibliotheksbestände des ehemaligen Reichspatentamts nach München gebracht, wo sie in einen unzerstörten Gebäudeflügel des Deutschen Museums einzogen. Dort nahm dann auch am 1. Oktober 1949, einem Samstag, das Deutsche Patentamt mit 423 Beschäftigten unter der Leitung von Präsident Professor Dr. Eduard Reimer (1896-1957) seine Tätigkeit auf.

Schon vier Monate später, am 1. Februar 1950, eröffnete das Deutsche Patentamt seine Dienststelle in Berlin im amerikanischen Sektor: im Gebäude des ehemaligen Kaiserlichen Patentamts in der Gitschiner Straße.

Gebäudebild: Amt für Erfindungs- und Patentwesen

Amt für Erfindungs- und Patentwesen der DDR mit den südlichen Mohrenkolonnaden

... und im Osten

Sechs Tage später, am 7. Oktober 1949, wurde im sowjetisch besetzten Osten Deutschlands die DDR gegründet. Der Aufbau des gewerblichen Rechtsschutzes ging auch dort zügig vonstatten: Die Deutsche Wirtschaftskommission, eine Einrichtung der sowjetischen Besatzungsmacht, hatte bereits am 15. September 1948 die Errichtung einer Patent-, Gebrauchsmuster- und Warenzeichenanmeldestelle in Berlin beschlossen.
Die erste Adresse war - und ist - ein geschichtsträchtiger Ort: das seit 1992 "Detlev-Rohwedder-Haus" genannte Gebäude in der Wilhelmstraße 97 war einst Sitz des Reichsluftfahrtministeriums und diente nach Gründung der DDR als "Haus der Ministerien". Heute beherbergt es das Bundesfinanzministerium, das über die Geschichte des Gebäudes auch online unter externer Link www.bundesfinanzministerium.de informiert.

Am 6. September 1950 wurde aus der Anmeldestelle das Amt für Erfindungs- und Patentwesen (AfEP) der DDR - mit neuem Dienstsitz in der Mohrenstraße 37b, einem nicht weniger geschichtsträchtigen Ort.

Gelegen im ehemaligen Konfektionsviertel Berlins, war das 1912 bis 1914 errichtete und nach seinem Bauherrn Oswald Prause benannte Gebäude ("Prausenhof") in Verbindung mit den historischen Mohrenkolonnaden ein Paradebeispiel der damaligen Gewerbearchitektur in Berlin. Heute ist es, zusammen mit weiteren Nachbargebäuden, Sitz des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz. Über die Geschichte des Gebäudekomplexes stehen im Internet unter externer Link www.bmj.de zahlreiche Informationen zur Verfügung.

Bilder: DPMA (soweit nicht anders angegeben)

Stand: 02.02.2023