Unabhängige Schlichter können im Streitfall oft hilfreich sein. Dem Deutschen Patent- und Markenamt sind zwei Schiedsstellen zugeordnet: die Schiedsstelle für Arbeitnehmererfindungen und die Schiedsstelle nach dem Verwertungsgesellschaftengesetz. Ihre Aufgabe ist es, eine außergerichtliche Einigung zu vermitteln. Die Streitthemen in der Praxis sind vielfältig.
Schiedsstelle nach dem Gesetz über Arbeitnehmererfindungen
Regelungen nach dem ArbnErfG
Arbeitnehmer oder Arbeitnehmerin ist verpflichtet, eine während des Arbeitsverhältnisses gemachte Erfindung dem Arbeitgeber oder der Arbeitgeberin zu melden.
Arbeitgeber oder Arbeitgeberin ist verpflichtet, eine gemeldete Erfindung zum Patent anzumelden und berechtigt, das Recht auf das Patent auf sich überzuleiten.
Dann erhält der Arbeitnehmer beziehungsweise die Arbeitnehmerin dafür einen Vergütungsanspruch.
Wenn in Deutschland etwas erfunden wird, steht fast immer eine Arbeitnehmerin oder ein Arbeitnehmer hinter der Erfindung. Verwunderlich ist das nicht. Denn Entwicklungsumgebungen von Unternehmen und das Eingebundensein in betriebliche Abläufe bieten einfach ideale Rahmenbedingungen für das Entstehen von Innovationen.
Wie für jede Erfindung gilt auch für diese Erfindungen das Patentgesetz, das das Recht auf das Patent zunächst dem Erfinder zuweist. Da die Erfindung im Regelfall aber auch Resultat der betrieblichen Arbeitsumgebung ist, sieht das Gesetz über Arbeitnehmererfindungen (ArbEG) vor, dass Unternehmen die Rechte an im Rahmen des Arbeitsverhältnisses entstandenen Erfindungen für sich beanspruchen können. Andererseits sind sie aber auch verpflichtet, diese Erfindungen zur Erteilung von Patenten anzumelden.
Nimmt das Unternehmen die Rechte an der Erfindung in Anspruch, was es sowohl durch ausdrückliche Erklärung, aber auch durch Verstreichenlassen der Inanspruchnahmefrist bewirken kann, gehen diese Rechte auf das Unternehmen über. Als Kompensation erhalten Erfinderinnen und Erfinder einen vom Arbeitsentgelt unabhängigen Vergütungsanspruch.
Wie hoch der Vergütungsanspruch ist, hängt von der wirtschaftlichen Verwertbarkeit der Erfindung, den Aufgaben und der Stellung der Arbeitnehmerin oder des Arbeitnehmers im Betrieb sowie vom Anteil des Betriebs an dem Zustandekommen der Erfindung ab – also von vielen unbestimmten Rechtsbegriffen, was leicht zu unterschiedlichen Bewertungen und damit auch zu Streit zwischen den Arbeitsvertragsparteien führen kann. Das aber könnte das Arbeitsverhältnis belasten und damit das Entwickeln weiterer Innovationen hindern.
Der Gesetzgeber hat deshalb als Streitschlichter die Schiedsstelle nach dem Gesetz über Arbeitnehmererfindungen eingerichtet und mit rechtlichem und technischem Sachverstand ausgestattet. Ihr Vorsitzender ist Jurist mit der Befähigung zum Richteramt und die beiden Beisitzerinnen oder Beisitzer werden aus der Patentprüfung gezielt nach ihrer besonderen technischen Fachkunde für das jeweilige Schiedsstellenverfahren ausgesucht. Ausgestattet mit dieser Expertise versucht die Schiedsstelle zum richtigen Verständnis vom geltenden Arbeitnehmererfindungsrecht und zu dessen sachgerechter Anwendung beizutragen, um unnötige Gerichtsverfahren zu vermeiden.
Dazu gibt sie den Streitbeteiligten zunächst Gelegenheit, ihren Standpunkt darzulegen und unterbreitet ihnen sodann einen Vorschlag für eine gütliche Einigung. Nehmen die Beteiligten diesen Einigungsvorschlag an, schließen sie einen privatrechtlichen Vertrag, mit dem der Streit beendet wird.
Ablauf Schiedsstellenverfahren
Arbeitgeberseite und Arbeitnehmerseite
erhalten Gelegenheit, ihren jeweiligen Standpunkt darzulegen
Schiedsstelle
unterbreitet einen Einigungsvorschlag
Annahme des Vorschlags
Gütliche Einigung: Die Beteiligten schließen dadurch einen privatrechtlichen Vertrag, durch den der Streit beendet wird.
Widerspruch gegen den Vorschlag
Schiedsstellenverfahren gilt als gescheitert. Es bleibt den Beteiligten überlassen, ihren Konflikt anderweitig – gerichtlich oder außergerichtlich – zu lösen.
Im Jahr 2024 hat die Schiedsstelle 53 derartige Verfahren erledigt, wobei 63 Prozent ihrer Vorschläge akzeptiert wurden.
Die Schiedsstelle hat sich hierbei unter anderem mit folgenden Fragestellungen beschäftigt:
- Fragen der Inanspruchnahme rund um die „Haftetikettrechtsprechung“ des BGH – Arb.Erf. 59/20
- Erfinderrechte in Kooperationen von Hochschulen und Industrie – Arb.Erf. 50/22
- Verrechnungsmöglichkeiten bei fehlerhafter Anwendung von Vergütungsvereinbarungen – Arb.Erf. 20/23
- Auslegung und Anpassungsmöglichkeiten von Vergütungsvereinbarungen – Arb.Erf. 50/21
- konzerninterne Auftragsentwicklung und Arbeitnehmerüberlassung – Arb.Erf. 24/23
- Rechtmäßigkeit der Behandlung von Erfindungen als Betriebsgeheimnis – Arb.Erf. 09/22
- Monopolnutzen bei offenkundiger Vorbenutzung – Arb.Erf. 57/22
- Sperrpatent – Arb.Erf. 05/23
- Folgen der Aufgabe von Schutzrechtspositionen – Arb.Erf. 26/22
Einzelheiten zu diesen und anderen ausgewählten Entscheidungen der Schiedsstelle und weitere Informationen zur Schiedsstelle und zum Arbeitnehmererfinderrecht finden Sie auf den Internetseiten des DPMA.
Schiedsstellenverfahren - Anträge und Erledigungen | 2020 | 2021 | 2022 | 2023 | 2024 |
---|---|---|---|---|---|
Eingang von Anträgen | 66 | 53 | 60 | 53 | 52 |
Erledigungen von Schiedsstellenverfahren | |||||
Einigungsvorschläge und Vergleiche | 44 | 44 | 43 | 36 | 35 |
Annahmequote in % | 50,0 | 65,9 | 67,4 | 61,1 | 62,9 |
Nichteinlassung auf das Verfahren | 19 | 16 | 6 | 9 | 11 |
Sonstige Erledigungen, insbesondere durch Antragrücknahme, Beschluss, infolge Zwischenbescheid etc. | 9 | 8 | 2 | 6 | 7 |
Summe Erledigungen | 72 | 68 | 51 | 51 | 53 |
Am Jahresende anhängige Schiedsstellenverfahren | 88 | 73 | 82 | 84 | 83 |
Schiedsstelle nach dem Verwertungsgesellschaftengesetz
Urheberrechtliche Verwertungsgesellschaften wie beispielsweise die GEMA erleichtern sowohl den Nutzerinnen und Nutzern als auch den Rechtsinhaberinnen und -inhabern den Abschluss von Lizenzverträgen im täglichen Massengeschäft. Ohne solche Verwertungsgesellschaften müsste beispielsweise ein Gastronom, ein Radiosender oder ein Streaminganbieter mit jedem Komponisten, jeder Komponistin, jeder Textdichterin und jedem Textdichter, dessen beziehungsweise deren Musikwerke er wiedergeben möchte, einen gesonderten Lizenzvertrag abschließen. Darüber hinaus ziehen Verwertungsgesellschaften auch Vergütungen, die für kraft Gesetzes zwar erlaubte, aber zu vergütende Nutzungen zu zahlen sind, ein.
Kommt es zum Streit über die von der Verwertungsgesellschaft geforderte Vergütung, kann die Schiedsstelle nach dem Verwertungsgesellschaftengesetz (VGG) angerufen werden. Die Schiedsstelle kann ferner auch bei Streitigkeiten eines Nutzerverbandes mit einer Verwertungsgesellschaft über die Bedingungen eines Gesamtvertrages angerufen werden sowie dann, wenn eine Verwertungsgesellschaft empirisch untersuchen lassen möchte, in welchem Umfang Geräte und Speichermedien zu gesetzlich erlaubten Nutzungen genutzt werden.
Erneut konnte die Schiedsstelle die Zahl der anhängigen Verfahren verringern. Am Jahresende waren 141 Verfahren anhängig, 67 erledigten Verfahren standen 57 neu eingeleitete Verfahren, darunter zwei Gesamtvertragsverfahren, gegenüber.
Die Schiedsstelle hat im Berichtszeitraum entschieden, dass es sich bei von Cloud-Anbietern ihren Kundinnen und Kunden überlassenem Online-Speicherplatz weder um ein Gerät noch um ein Speichermedium handelt. Sie hat deshalb einen Antrag auf Durchführung einer empirischen Untersuchung über die Nutzung von Clouds ebenso zurückgewiesen (Sch-Urh 11/22, bestätigt durch Beschluss des Bayerischen Obersten Landesgerichts vom 12. August 2024, Az. 101 VA 64/24, nicht rechtskräftig) wie gegen verschiedene Cloudanbieter gerichtete Auskunfts- und Feststellungsanträge (u.a. Verfahren Sch-Urh 46/22).
Ferner hat die Schiedsstelle in einem Gesamtvertragsverfahren für die Musiknutzung im Zirkus eine Vergütung von 3,5 Prozent der Einnahmen vorgeschlagen (Sch-Urh 58/21).
In einem weiteren Gesamtvertragsverfahren (Sch-Urh 138/19) hat sie sich mit der von Anbietern von Musikstreamingabonnements an die Musikurheberinnen und -urheber zu zahlenden Vergütung befasst und – nach Abzug eines Gesamtvertragsnachlasses – eine Regelvergütung von 9 % der Einnahmen des Anbieters und eine Mindestvergütung in Höhe von EUR 1,20 je Abonnement und Monat vorgeschlagen.
Zudem hat die Schiedsstelle entschieden, dass für jedes in ein Kraftfahrzeug eingebaute Infotainmentsystem mit integrierter Festplatte eine Vergütung in Höhe von EUR 1,50 zu zahlen ist (verbundene Verfahren Sch-Urh 87/20 und Sch-Urh 42/21).
Sämtliche hier genannte und weitere Entscheidungen sind auf unserer Internetseite anonymisiert veröffentlicht.
Schiedsstellenverfahren - Anträge und Erledigungen | 2020 | 2021 | 2022 | 2023 | 2024 |
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Anträge | |||||
Eingänge gesamt | 96 | 58 | 61 | 55 | 57 |
darunter Gesamtverträge nach § 92 Abs. 1 Nr. 3 VGG | 5 | 1 | 1 | 1 | 2 |
Erledigungen | |||||
Durch Einigungsvorschlag der Schiedsstelle | 81 | 95 | 56 | 43 | 48 |
Teileinigungsvorschlag der Schiedsstelle | 20 | 13 | 0 | 0 | 0 |
Beschluss | 126 | 111 | 55 | 59 | 19 |
Insgesamt (ohne Teileinigungsvorschläge) | 207 | 206 | 111 | 102 | 67 |
Am Jahresende anhängige Anträge | 396 | 248 | 198 | 151 | 141 |
Sicherheitsleistung / einstweilige Regelung | |||||
Anträge | 3 | 4 | 12 | 14 | 3 |
Beschlüsse | 32 | 37 | 6 | 16 | 4 |