Bereich DPMA

Vor 30 Jahren„Eine Zeit großer Veränderung“

Am 3. Oktober 1990 übernahm das Deutsche Patentamt (DPA), heute Deutsches Patent- und Markenamt, die Aufgaben des „Amtes für Erfindungs- und Patentwesen“ (AfEP) der DDR – und mit ihm 13,5 Millionen Patentdokumente. Gleichzeitig wurde das Deutsche Patentamt die Zentralbehörde für den gewerblichen Rechtsschutz in Deutschland. Aber nicht nur Daten und Akten wurden zusammengeführt. Vor allem für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des AfEP waren es bewegte Zeiten. 450 der rund 600 Beschäftigten des DDR-Patentamts, darunter 105 Patentprüferinnen und -prüfer, wechselten zum Deutschen Patentamt in München und Berlin. 1998 eröffnete in Jena eine weitere Dienststelle mit inzwischen rund 220 Beschäftigten. Monika Gerstmann, Fachfrau in der Automatisierungstechnik, war Patentprüferin im AfEP, als die Mauer fiel. Auch sie wechselte zum DPA. Wir haben mit ihr über die Wendezeit 1989/90 gesprochen.

Wie haben Sie die Wendezeit 1989/90 in Erinnerung?

Porträtfoto Monika Gerstmann
Monika Gerstmann

Als klar wurde, dass es zur Währungsunion und einer Wiedervereinigung kommen würde, begann eine Zeit, die durch große Änderungen geprägt war, im persönlichen wie auch im beruflichen Bereich. Für uns war auch klar, dass der Zusammenbruch der DDR nicht gleichzeitig den Wegfall der DDR-Patente und -Marken bedeutete. Sondern dass diese gemäß rechtlicher Übergangslösungen weiterbearbeitet werden müssten. Was wir nicht wussten: Waren wir ein Auslaufmodell oder würden wir vom Deutschen Patentamt übernommen werden? Jeden Tag gab es neue Gerüchte. Wir lebten in dieser Zeit mit einer für uns bisher nicht gekannten beruflichen Unsicherheit. Das bedeutete auch eine große Unsicherheit für unsere Familien.

Wie übersteht man so eine Zeit?

Indem man sich den neuen Gegebenheiten stellt: Im Sommer 1990 festigte sich das Gerücht, dass ein Großteil der DDR-Patentprüferinnen und -Prüfer vom DPA übernommen würde. Das gute Einvernehmen der beiden Präsidenten und der Fachprüfermangel im DPA sollen eine Rolle gespielt haben. Schließlich bekam man ausgebildete Patentprüferinnen und Patentprüfer „ins Haus geliefert“.

Wie vollzog sich Ihre Übernahme in das DPA? Wann sind Sie nach München gezogen?

Wir mussten einige Hürden nehmen: Es gab eine Befragung durch den Verfassungsschutz. Auch Mitarbeiter der Münchner Dienststelle befragten uns wegen unserer Tätigkeitsmerkmale und Qualifikation. Wir mussten unzählige Formulare ausfüllen und Urkunden beibringen, beispielsweise den Staatsbürgerschaftsnachweis, um zu unterstreichen, tatsächlich deutsch zu sein. Ich musste mich um eine Krankenkasse kümmern und Kindergeld beantragen. Lauter Dinge, die in der DDR automatisch liefen. Ich lernte viel dazu.

Meinen Überleitungsvertrag bekam ich allerdings erst am 1. Oktober 1990 ausgehändigt. Er enthielt die Maßgabe „wenn es die Arbeitsaufgabe erforderlich macht, ist der Arbeitsort München“. Ich musste mich also damit anfreunden, das gewohnte Umfeld, den Freundes- und Familienkreis zu verlassen und früher oder später nach München umzusiedeln. Im Gegenzug bedeutete es für jene, die übernommen wurden, Sicherheit in dieser sehr bewegten Zeit.

Arbeitsmäßig lief zu diesem Zeitpunkt alles wie gewohnt. Wir kümmerten uns weiter um die DDR-Schutzrechte.

Was hatte das DPA für die Übernahme zu organisieren?

Das DPA musste mit anderen Bundesbehörden klären, wie die beamtenrechtliche und vergütungsmäßige Einordnung der AfEP-Mitarbeiter auszusehen hatte und ob womöglich die Berliner Prüfer in Berlin bleiben sollten. Sie hätten dann Akten aus München zugeschickt bekommen.

Obwohl einige Prüfer an einer schnellen Umsetzung nach München interessiert waren, mussten wir bis zur Klärung aller Einzelheiten Anfang 1993 warten. Die Umsetzung nach München verlief dann sehr kulant, was das Datum der Umsetzung und auch das zuzuordnende Fachgebiet beziehungsweise die Abteilung betraf.

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Und wie wussten Sie, was nun tatsächlich an Arbeit auf Sie zukommen würde?

Alle Patentprüfenden erhielten 1992 die Möglichkeit, eine sogenannte Schnupperwoche in einer Patentabteilung in München zu machen. Das nahm ein bisschen die Angst vor der Zukunft in München. Außerdem wurden wir noch in Berlin von Münchner Prüfern zu Patentrechtsangelegenheiten „West“ geschult. Das begrüßten wir sehr.

Wie unterschied sich die Arbeit im DPA von der Arbeit im AfEP?

Im Großen und Ganzen unterschied sich die Prüfertätigkeit der beiden Patentämter nicht. Beide Patentgesetze (Ost und West) gingen seinerzeit aus dem Reichspatentgesetz hervor. Allein das ergab viele Gemeinsamkeiten.

Nachdem ich mit Ängsten und auch mit gewissen Vorurteilen nach München gekommen war, wurde mir schnell klar, dass auch hier nur mit Wasser gekocht wird und ich die Arbeitsaufgaben gut bewältigen konnte. In meiner neuen Abteilung wurde ich sehr gut aufgenommen. Bis zum Schluss hatte ich ein gutes, offenes, kollegiales Verhältnis zu allen Kollegen. Es war durchaus üblich, mit den Abteilungskollegen ein fachliches Problem in der Abteilung zu diskutieren, keiner wurde bei fachlichen Problemen allein gelassen.

Von 1993 bis zu meiner Pensionierung 2017 arbeitete ich als Patentprüferin im DPMA und war zudem mit Recherchen betraut. Außerdem wirkte ich bei Gebrauchsmusterlöschungen und Einspruchsverfahren als Berichterstatterin oder Beisitzerin mit.

Was hat Sie in der westdeutschen Prüferschaft überrascht?

Dass es in der Prüferschaft, außer in der Chemie, so gut wie keine Frauen gab. Das kannte man natürlich in der DDR ganz anders. Doch mit der Wiedervereinigung und der Umsetzung der Berliner nach München hat sich das auch im DPMA grundlegend geändert.

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Zusatzinformation Patente in der DDR

Das DPA musste nach dem 3. Oktober 1990 die Bearbeitung der in der DDR bestehenden Schutzrechte und Schutzrechtsanmeldungen gewährleisten.

Die gesetzlichen Regelungen zum Schutz des geistigen Eigentums waren in beiden deutschen Staaten – aufgrund der Mitgliedschaft der DDR in internationalen Organisationen auf dem Gebiet des gewerblichen Rechtsschutzes – zwar fast identisch gewesen. Unterschiede zeigten sich aber in den Regelungen zur Verwertung: Bundesdeutsche Patente geben dem Inhaber das Recht, seine Erfindung für eine begrenzte Zeit exklusiv zu nutzen. Dieses Recht wurde in der DDR als Ausschließungspatent bezeichnet und machte nur einen geringen Anteil aller Patente aus. Häufiger waren so genannte Wirtschaftspatente, bei denen die Erfindung im Rahmen der Tätigkeit des Erfinders in einem volkseigenen Betrieb, einem staatlichen Forschungsinstitut oder in anderen öffentlichen Einrichtungen mit staatlicher Unterstützung gemacht wurde. Diese Patente konnten von volkseigenen Betrieben gegen Zahlung einer Vergütung genutzt werden.

Nach der Wiedervereinigung wurden 111.000 DDR-Patente, darunter 97.000 Wirtschaftspatente und 14.000 Ausschließungspatente in ein gemeinsames Register übernommen.