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Wie unsere Gebärdensprach-Videos entstehen

Blick auf die Video-Kamera und das Set bei den Aufnahmen

"Hände sprechen, Augen hören"

Hier neu veröffentlicht sind Videos zu unseren elektronischen Diensten in Deutscher Gebärdensprache (DGS). Warum wir DGS-Videos veröffentlichen? In Deutschland gibt es circa 80.000 gehörlose Menschen. Etwa 250.000 nutzen die Deutsche Gebärdensprache, kurz DGS, darunter auch Schwerhörige und Menschen mit elektronischer Hörprothese. Die DGS verwendet Handbewegungen – die Gebärden – aber auch Mimik, Mundbewegungen und Körperhaltung. Sie hat ein umfangreiches Vokabular und eine eigene Grammatik. Die Barrierefreie-Informationstechnik-Verordnung (BITV 2.0) schreibt vor, dass die wichtigsten Informationen auch in Deutscher Gebärdensprache angeboten werden müssen. Ziel dabei ist es, gehörlosen Menschen eine bessere Teilhabe zu ermöglichen.

Neben gemäß BITV 2.0 vorgeschriebenen DGS-Videos "Was macht das DPMA?", "So finden Sie sich auf unserer Internetseite zurecht" und der "Erklärung zur Barrierefreiheit" bieten wir mit den jetzt veröffentlichten Filmen Informationen, die über das von der BITV verlangte Informationsangebot hinausgehen.

Wir produzieren unsere Gebärdensprach-Videos im Haus

Martin Kleinsorge (links) und Daniela Herde (rechts) im Gebärdensprach-Dialog

Daniela Herde und Martin Kleinsorge bei den Video-Aufnahmen

Das Besondere an unseren Gebärdensprach-Videos ist, dass wir sie von der ersten Idee bis zum letzten Schnitt selbst produzieren. So hat unsere Kollegin Daniela Herde sämtliche Videos in die Deutsche Gebärdensprache übersetzt und auch im Video gebärdet. Sie ist selbst von Geburt an gehörlos und ausgebildete Gebärdensprachdozentin. Begleitet wird sie von Dr. Martin Kleinsorge, der im Hauptberuf Patentprüfer ist und außerdem Gesamtvertrauensperson der schwerbehinderten Menschen.

Wir haben Daniela Herde gefragt, wozu Gebärdensprach-Videos gut sind, welche Tipps sie im Umgang mit Gehörlosen hat und ob es eine internationale Gebärdensprache gibt.

Drei Fragen an Daniela Herde

Immer wieder hört man die Frage: Wofür braucht man denn extra DGS-Videos? Gehörlose Menschen können doch lesen. Warum sind diese Videos wichtig? Und was bedeutet die visuelle Gebärdensprache für Sie?
Daniela Herde: Sprache entwickelt sich über das Gehör und das gilt auch für die Schriftsprache. Daher fällt es gehörlosen Menschen schwer, komplexe Sachverhalte in Schriftsprache zu verstehen. Für die Mehrheit der Gehörlosen ist die Gebärdensprache die Muttersprache. Dabei hat die Gebärdensprache eine völlig andere, eigenständige Grammatik und ist keine Zeichensprache. Neben den gebärdenden Händen gehören Mundbild, Mimik, Blickrichtung und Oberkörperhaltung zur Sprache. Die Gebärdensprach-Videos tragen also dazu bei, dass die Webseite barrierefrei ist.

Daniela Herde

Übrigens ist die Gebärdensprache seit über 20 Jahren als eigenständige Sprache anerkannt. Das steht im Bundes-Behindertengleichstellungsgesetz. Allerdings fühlen wir uns nicht behindert, wir sind eine sprachliche Minderheit.

Frau Herde, Sie sind Gebärdensprach-Dozentin und selbst gehörlos. Was ist wichtig im Umgang zwischen gehörlosen und hörenden Menschen?
Daniela Herde: Für mich ist ganz wichtig, zwischen Gehörlosen und hörenden Menschen eine Brücke zu bauen. Die Gehörlosen wünschen sich die Dialogfreude! Und wir sind auf die visuelle Wahrnehmung angewiesen, weil wir nicht hören können. Barrierefreiheit ist für mich (auch für die Tauben), wenn alle ein bisschen Gebärdensprache lernen würden. Hier gibt es zum Beispiel Kurse an der Volkshochschule. Ich habe dort auch schon unterrichtet.

Meine persönliche Erfahrung ist: Gehörlose können in der Kommunikation mit hörenden Menschen verunsichert sein, ähnlich wie der hörende Mensch in der Kommunikation mit gehörlosen Menschen. Folgende Tipps können zu einer Kommunikation beitragen, die für beide Seiten zufriedenstellend ist:

  • Kontaktaufnahme: Winken Sie mit der Hand oder nicken Sie mit den Kopf. Dann weiß der Gehörlose, dass Sie mit ihm sprechen wollen. Bitte nicht von hinten ansprechen! Der Gehörlose hört Sie nicht.
  • Blickkontakt: Beginnen Sie erst zu sprechen, wenn der andere Sie anschaut und halten Sie beim Sprechen Blickkontakt.
  • Gute Beleuchtung: Achten Sie darauf, dass Ihr Gesicht gut beleuchtet ist (Gegenlicht vermeiden, sonst wird der Gehörlose geblendet und kann nicht gut absehen).
  • Gesprächsthema: Geben Sie das jeweilige Gesprächsthema am Anfang bekannt.
  • Fragen ankündigen: Kündigen Sie Ihre Fragen an. Sagen Sie: "Ich frage Sie!" Dann stellen Sie Ihre Frage. "W-Fragen" sind leichter zu verstehen: Wer, was, wann, warum, wo, wohin…?
  • Deutliches Mundbild: Sprechen Sie mit deutlichem Mundbild (= Mundbewegungen), aber nicht übertrieben. Sonst wird Ihr Mundbild verzerrt.
  • Langsam sprechen: Sprechen Sie eher in langsamem Tempo.
  • Nicht schreien! Sprechen Sie in normaler Lautstärke. Schreien nützt nichts, da der Gehörlose Sie nicht hören kann.
  • Kurze Sätze: Verwenden Sie kurze, aber vollständige Sätze. Vermeiden Sie Fremdwörter.
  • Aufschreiben: Schreiben Sie wichtige Informationen auf (Termine, Namen, Adressen).
  • Alles verstanden? Vergewissern Sie sich immer wieder, ob alles richtig verstanden wurde. Fragen Sie nach, was verstanden wurde. Scheuen Sie sich nicht vor Wiederholungen. Klären Sie Missverständnisse offen und freundlich.
  • Gestik, Mimik und Körpersprache: Unterstützen Sie das, was Sie sagen, durch natürliche Gesten, Mimik und Körpersprache. Das hilft verstehen und ersetzt das, was in der Lautsprache mit der Sprachmelodie vermittelt wird.
  • Gebärdensprachdolmetscher/-innen? Sie können auch eine Dolmetscherin/einen Dolmetscher beauftragen.

Wird eigentlich die Deutsche Gebärdensprache überall gesprochen oder gibt es regionale Unterschiede? Und gibt es eigentlich eine internationale Gebärdensprache?
Daniela Herde: Das Vokabular der Gebärdensprache ist nicht bundesweit einheitlich, sondern verfügt über verschiedene Dialekte, vergleichbar mit der deutschen Sprache (in Bayern spricht man zum Beispiel anders als in Nordrhein-Westfalen und gebärdet auch anders).

Außerdem ist die Gebärdensprache nicht international. Jedes Land hat seine eigene Gebärdensprache, diese hat sich genau wie die Lautsprachen durch verschiedene Einflüsse entwickelt. So gibt es die deutsche Gebärdensprache, die amerikanische Gebärdensprache und noch viele andere.

Bilder: DPMA

Stand: 27.02.2024