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40 Jahre Zusammenarbeit Deutschlands und Chinas beim geistigen Eigentum
Gemeinsames Symposium - DPMA-Präsidentin: Zusammenarbeit bringt doppelten Gewinn – CNIPA-Vize: Beiderseitiges Interesse an fairem Investitionsumfeld

DPMA-Präsidentin Cornelia Rudloff-Schäffer mit dem Vizepräsidenten des chinesischen Patentamts He Hua
München. Mit einem gemeinsamen Symposium zum Gebrauchsmusterschutz haben die Schutzrechtsbehörden Chinas und Deutschlands, die Nationalbehörde für geistiges Eigentum der Volksrepublik China (CNIPA) und das Deutsche Patent- und Markenamt (DPMA), ihre seit 40 Jahren bestehende Zusammenarbeit gefeiert.
Bei der Veranstaltung in München am 26. März 2019 hob die Präsidentin des DPMA, Cornelia Rudloff-Schäffer, die Bedeutung der Kooperation für das Verhältnis beider Staaten und die Entwicklung beim Schutz geistigen Eigentums in China hervor. "Die jahrelange, enge Zusammenarbeit unserer beiden Ämter hat auch dazu beigetragen, dass sich in der Volksrepublik China eine beeindruckende Rechtsentwicklung beim Schutz des geistigen Eigentums vollzogen hat", sagte Rudloff-Schäffer. In den vergangenen 40 Jahren habe sich deutlich gezeigt, dass die Kooperation beider Ämter doppelt sinnvoll sei: zum einen für das DPMA und die CNIPA, zum anderen für die Wirtschaft und die Zusammenarbeit beider Länder insgesamt.
Ministerialdirigent Dr. Johannes Christian Wichard überbrachte aus Berlin beste Grüße und Wünsche der Bundesministerin der Justiz und für Verbraucherschutz, Dr. Katarina Barley, und dankte der CNIPA für die langjährige gute Zusammenarbeit. Das vierzigjährige Jubiläum der Kooperation zwischen beiden Ämtern sei ein Anlass zum Feiern, so der Leiter der Unterabteilung Wirtschaftsrecht im Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV). Er betonte in seinem Grußwort die außerordentliche Entwicklung des CNIPA: Aus der vergleichsweise jungen chinesischen Behörde sei in relativ kurzer Zeit das größte nationale Patentamt der Welt geworden. Trotz des Altersunterschieds zwischen den beiden Häusern blicke man auf eine lange und enge Kooperation zwischen DPMA und CNIPA zurück, die noch weiter an Bedeutung gewinnen werde.
„China auf dem Weg zur Innovationsnation“
He Hua, der Vizepräsident der CNIPA, würdigte die „gute Tradition“ der engen Kooperation mit dem DPMA. In seinem Grußwort dankte er dem deutschen Amt für dessen intensive Unterstützung bei Aufbau und Weiterentwicklung des Schutzrechtssystems in seinem Land. Mit der Entwicklung freundschaftlicher und kooperativer Beziehungen zwischen China und Deutschland auf politischem, wirtschaftlichem, wissenschaftlichem, technologischem und kulturellem Gebiet sei die Zusammenarbeit im Bereich des geistigen Eigentums zu einem wichtigen Bestandteil der zwischenstaatlichen Kooperation geworden. Darüber hinaus wies He auf die Rolle Chinas als größter Handelspartner Deutschlands hin. Beide Seiten hätten Interesse an einem fairen und transparenten Investitionsumfeld sowie an einem umfassenden und strengen Schutz des geistigen Eigentums.
Vor 40 Jahren habe man in China „praktisch bei null angefangen“, sich seither aber rasant entwickelt. Trotz der enormen Fortschritte wolle man den Schutz des geistigen Eigentums weiter verbessern. Man befinde sich weiterhin in einer Phase der Umstrukturierung. China sei dabei, eine „Innovationsnation“ zu werden, und daher gewinne der effiziente und wirksame Schutz des geistigen Eigentums noch mehr an Bedeutung.
Das Gebrauchsmuster: hier Abnahme, dort Explosion

Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Forums
Die Fachvorträge behandelten die aktuelle Situation des Gebrauchsmusters in China und Deutschland. Die Sicht ihrer Ämter schilderten Qu Shujun, Generaldirektorin für das Gebrauchsmuster, CNIPA, und Bernd Maile, Hauptabteilungsleiter Patente und Gebrauchsmuster beim DPMA.
Qu präsentierte beeindruckende Zahlen zu den in jüngster Zeit förmlich explodierenden Gebrauchsmusteranmeldungen in China: 2018 wurden bei der CNIPA 2.072.311 Anmeldungen eingereicht. Im Durchschnitt entfielen elf Anmeldungen auf 10.000 Einwohner. Ende 2018 seien insgesamt 4.403.658 Gebrauchsmuster in China wirksam gewesen, darunter 4.366 Schutzrechte deutscher Inhaber. Vier Abteilungen mit mehr als 900 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern seien bei der CNIPA für Prüfung und Eintragung zuständig, die im Schnitt etwa fünf Monate dauere. Der „preliminary examination“, einer Art Formalprüfung, folge auf Antrag des Anmelders oder einer anderen interessierten Partei die Erstellung eines „evaluation report“, eine rechtliche und mit einer Recherche verbundene fachlich-technische Prüfung. Eine Anmeldung koste 500 chinesische Yuan (CNY); die Jahresgebühren betrügen zwischen 600 CNY für die ersten drei Schutzjahre und 2.000 CNY für das neunte und zehnte Jahr. Deutliche Reduzierungen der Gebühren seien möglich. Die Zurückweisungs- bzw. Nachprüfungsquote sei sehr niedrig, so Qu, die die gute Qualität der schnellen Bearbeitung betonte.
Eine gegenläufige Entwicklung ist in Deutschland zu beobachten: Seit Jahren nimmt die Zahl der Gebrauchsmusteranmeldungen kontinuierlich ab. Maile erwähnte charakteristische Merkmale des hiesigen Systems des Gebrauchsmusterschutzes und erläuterte die Geschäftslage des DPMA bei Anmelde- und Löschungsverfahren. Der Gebrauchsmusterbereich des DPMA – so fasste er zusammen – sei nicht zuletzt angesichts der raschen komplett elektronischen Aktenbearbeitung in der Gebrauchsmusterstelle und des deutlichen Abbaus der anhängigen Löschungsverfahren „gut aufgestellt“. Mit Blick auf die sinkenden Anmeldezahlen warf er die Frage nach den Ursachen sowie nach Möglichkeiten auf, die Attraktivität des deutschen Gebrauchsmusters wieder zu steigern, und welchen Beitrag das DPMA dazu leisten könne.
Unterschätztes Schutzrecht
Dr. Tobias Wuttke betonte die Stärken des oft unterschätzten Gebrauchsmusters: Es sei u.a. „zehnmal schneller“ als ein deutsches oder europäisches Patent, „extrem günstig“, flexibel und sehr wirksam. Der Münchner Rechtsanwalt bestritt die Session „Die Bedeutung des Gebrauchsmusters in der heutigen Zeit – Die Sicht der Nutzer“ gemeinsam mit Guo Wen, Generaldirektorin am CNIPA-Patentprüfungszentrum in Beijing, die sich auf Erläuterungen zum „evaluation report“ der CNIPA konzentrierte.
Wuttke hob die Bedeutung einer sorgfältigen Formulierung der Unteransprüche für die Verteidigung eines Gebrauchsmusters hervor und unterstrich die wertvollen Möglichkeiten der Abzweigung aus einem Patentverfahren. „Von wegen zahnloser Tiger!“: Gerade für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) stelle das Gebrauchsmuster eine wertvolle Schutzmöglichkeit dar. Er beklagte allerdings, dem deutschen Mittelstand seien die Vorteile dieses Schutzrechts oftmals nicht bekannt. Wie später noch weitere Teilnehmer der Veranstaltung forderte er die Öffnung des Gebrauchsmusterschutzes für Verfahren. Die Schutzdauer von zehn Jahren hielt Wuttke angesichts der immer kürzeren Innovationszyklen aber für ausreichend.
Quo vadis? Perspektiven für das Gebrauchsmuster in China und Deutschland

Anschließend ging es ins Detail. Und dabei wurde deutlich, dass es in manchen Punkten durchaus unterschiedliche Positionen gibt. „Quo vadis? Perspektiven für das Gebrauchsmuster“ war das Motto des Workshops unter der Moderation des Siemens-IP-Chefs Beat Weibel: Wohin entwickelt sich das chinesische Schutzrechtssystem angesichts immens rasant steigender Gebrauchsmusteranmeldungen, wohin das deutsche System angesichts sinkender Anmeldezahlen?
Cui Haiying, Hauptabteilungsleiterin bei der CNIPA, berichtete von der Möglichkeit, gegen Schutzrechtsverletzungen in China nicht nur gerichtlich, sondern auch auf dem Verwaltungsweg vorzugehen. Sie stellte Maßnahmen vor, die China jüngst im Bereich der Durchsetzung von Schutzrechten ergriffen habe bzw. künftig weiterverfolgen wolle: IP-Rechte stärken und besser schützen, Exporte fördern, den Marktzugang erweitern und Investitionen attraktiver machen. In diesem Zusammenhang erwähnte sie die Umorganisation und Umbenennung des chinesischen Amtes vom SIPO zur CNIPA im vergangenen Jahr.
Eine Ausdehnung des Gebrauchsmusterschutzes in Deutschland forderte Patentanwalt Paul-Alexander Wacker, der die starke Bedeutung des Gebrauchsmusters für kleinere und mittlere Unternehmen (KMU) betonte: Verfahren, biotechnologische Erfindungen, Software und Geschäftsmethoden müssten ebenfalls dem Gebrauchsmusterschutz zugänglich und dieser auf zwölf Jahre verlängert werden. Darüber hinaus sprach sich Wacker für eine Verlängerung der Neuheitsschonfrist von sechs Monaten auf ein Jahr und für Änderungen bei der Streitwertberechnung aus.
Höhere Hürde für erfinderischen Schritt in China? Ausdehnung des Schutzes in Deutschland?

Die sich anschließende lebhafte und durchaus auch kontroverse Diskussion drehte sich zunächst um die Anforderungen, die das chinesische Recht an den erfinderischen Schritt beim Gebrauchsmuster stellt. Vertreter der Wirtschaft schilderten die Probleme, mit denen international tätige Unternehmen in China zum einen auf Grund der hohen Zahl der Schutzrechte und zum anderen auf Grund der vergleichsweise niedrigen Schutzanforderungen beim Gebrauchsmuster konfrontiert werden. Auch Vizepräsident He und Präsidentin Rudloff-Schäffer griffen in die Diskussion ein, in deren weiterem Verlauf insbesondere auch die Anregungen Wackers gegenüber dem Gesetzgeber erörtert wurden.
Aus der Löschungspraxis
Im zweiten Workshop diskutierten Experten die „Bewährungsprobe“ für das Gebrauchsmuster, das nachgelagerte Löschungsverfahren. Guo Wen, die Generaldirektorin des Patentprüfungszentrums Beijing, und Zhao Shuang, Vizeabteilungsleiter im CNIPA, stellten das dortige Löschungsverfahren vor, das eher ein Nichtigkeitsverfahren darstelle, häufig genutzt werde und für Patent, Gebrauchsmuster und Design gleich ausgestaltet sei. Hans Christian Metternich, Vorsitzender Richter am Bundespatentgericht, berichtete aus seiner Praxis im Gebrauchsmustersenat des Gerichts, Patentanwalt Sven-Erik Braitmayer moderierte.
Dass Gebrauchsmuster vor allem für kleine und mittlere Unternehmen eine attraktive Schutzmöglichkeit seien, zog sich wie ein roter Faden durch die Tagung. Auch He Hua betonte das in seinem Schlusswort, als er auf die 40 Millionen KMU in seinem Land hinwies, die 99 Prozent aller Unternehmen Chinas ausmachten.
„Freunde sagen sich alles“
Das Symposium habe die unterschiedliche Ausgestaltung des Gebrauchsmusterschutzes in beiden Ländern verdeutlicht, aber dadurch auch ein besseres Verständnis für die jeweilige Rechtsordnung bewirkt, hielt die DPMA-Präsidentin in ihrem Schlusswort fest. Wenn Freunde sich treffen, so Rudloff-Schäffer, gehörten Offenheit und Unterschiede nun mal zu einem Dialog. Auch He betonte, das Treffen habe die Freundschaft und das Vertrauen zwischen beiden Ämtern vertieft und ein neues Kapitel in der Erfolgsgeschichte der Zusammenarbeit geschrieben.
Bilder: DPMA
Stand: 30.05.2023
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